Sonne und Stromnetz: eine gewaltige Herausforderung
Mehr als 28 000 Solaranlagen sind an das Stromnetz von Groupe E angeschlossen. Ihre Leistung in Höhe von 525 Megawatt – die Hälfte eines Kernkraftwerks – verändert den Netzbetrieb grundlegend. Ein Gespräch mit Fabrice Bonvin, Direktor Stromverteilung.

Fabrice Bonvin, Direktor Stromverteilung
Fabrice Bonvin, wie hat sich die Solarstromproduktion in den letzten Jahren entwickelt?
Der Ausbau der Fotovoltaik hat kontinuierlich zugenommen und sich ab 2022 nach den Covid-Jahren deutlich beschleunigt. 2023 und auch 2024 wurde die Produktion um 100 Megawatt pro Jahr ausgebaut. Dieses Jahr rechnen wir jedoch erstmals mit einem Rückgang von 30 bis 40 Prozent im Vergleich zu 2024.

Wie lässt sich dieser Abschwung erklären?
Die Debatten im eidgenössischen Parlament bei der Ausarbeitung des neuen Energiegesetzes, das im Juni 2024 vom Volk angenommen wurde, haben zu einer grossen Unsicherheit bezüglich der Einspeisetarife für Solarenergie geführt. Viele fragten sich, ob die Investition noch sinnvoll wäre, und zogen es im Zweifelsfall vor, abzuwarten.
Warum diese politische Diskussion?
Die Produktion von Solarenergie ist im Sommer hoch und übersteigt manchmal die Nachfrage. Nach jahrelanger Förderung der Fotovoltaik sind in der Politik die Herausforderungen im Zusammenhang mit dieser Energie erkannt worden, insbesondere die Überproduktionen und deren Folgen für die Verteilnetzbetreiber (VNB) und das Stromsystem im Allgemeinen.
Die Überproduktion beeinträchtigt den gesamten europäischen Markt und führt zu bestimmten Zeiten zu negativen Preisen an der Strombörse. Ursprünglich auf Wochenenden beschränkt, treten diese Preise nun auch bereits an Wochentagen und im Frühling auf. Die Anzahl von Stunden mit negativen Preisen nimmt kontinuierlich zu. Die Integration neuer Solaranlagen stellt für einen VNB wie Groupe E nun eine der grössten Herausforderungen dar.
Wie funktionieren diese «negativen Preise»?
Bei Groupe E kaufen wir einen Grossteil des von unseren Kundinnen und Kunden eingespeisten Solarstroms. Bei einer Überproduktion müssen wir diesen Strom nicht nur bezahlen, sondern auch seinen Wiederverkauf auf dem Markt zu einem negativen Preis finanzieren. Das heisst, wir zahlen doppelt: an die Produzentinnen und Produzenten sowie für den Abbau des Überschusses. Zu bestimmten Jahreszeiten wird diese Energie für das System teuer.
Künftig können intelligente Batterien Daten wie Preiskurven oder Wetterprognosen integrieren und auf den richtigen Ladezeitpunkt warten.
Man könnte meinen, man müsse den Ausbau der Solarenergie bremsen!
Nein, auf keinen Fall. Es gilt, lediglich die Produktion von Solarenergie so zu optimieren, dass sie dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Das ist eine Herausforderung, aber wir arbeiten aktiv an Lösungen.
Lassen Sie uns nun einen Blick in die Zukunft werfen. Wie sehen Sie die Entwicklung der Fotovoltaik?
Um die Zielvorgaben des Bundes zu erfüllen, planen wir eine Verdreifachung der installierten Leistung in den nächsten zehn Jahren. Dieses Wachstum wird die aktuellen Herausforderungen verstärken und zu Produktionsspitzen führen, die für das Netz schwierig zu bewältigen sein könnten. Aber wir bereiten uns darauf vor.
Worin bestehen Ihre Lösungen?
Seit mehreren Jahren stärken wir das Netz, indem wir Kabel austauschen und Transformatoren durch neue ersetzen, die höhere Leistungen und erweiterte Funktionen bieten, um mehr Solarstrom aufzunehmen. Diese Strategie stösst jedoch an ihre Grenzen, nicht zuletzt wegen der hohen Materialkosten beispielsweise von Kupfer. Deshalb bieten wir unseren Kundinnen und Kunden an, die Einschaltung bestimmter Anlagen wie Wärmepumpen, Boiler oder Ladestationen fernzusteuern, um den Solarstrom, wenn er verfügbar ist, optimal zu nutzen.
Und worin besteht die Rolle der Kleinerzeugerinnen und Kleinerzeuger sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher?
Ihre Rolle ist von zentraler Bedeutung. Jeder lokale Verbrauch verhindert eine Einspeisung in Zeiten der Überproduktion, was sich positiv auswirkt. Künftig können intelligente Batterien Daten wie Preiskurven oder Wetterprognosen integrieren und auf den richtigen Ladezeitpunkt warten, um das Netz zu Spitzenzeiten der Solarstromproduktion zu entlasten. So erhalten die Kundinnen und Kunden abends und nachts kostengünstigen Strom.
Lohnt es sich für Privatpersonen immer noch, in Fotovoltaik zu investieren?
Selbstverständlich! Wir wenden künftig einen Marktpreisindex an, der sich an Angebot und Nachfrage orientiert. Mit einem guten Eigenverbrauch und einer auf den Eigenbedarf angepassten Dimensionierung der Anlage bleibt die Abschreibung durchaus attraktiv, auch wenn sie länger dauert als bisher. Bei einer Verzinsung von 14 Rp. hat sich die Anlage innerhalb von 10 bis 15 Jahren amortisiert. Mit dem neuen föderalen System dauert es heute rund 20 Jahre. Das ist aber kein Problem, da die Anlagen auch nach 25 Betriebsjahren leistungsfähig bleiben.